Unter dem konventionellen Wasting Syndrom versteht man eine ungewollte Gewichtsabnahme um mindestens 10% des regulären individuellen Körpergewichts, welche mit persistierenden (andauernden) Diarrhoen und oftmals in Kombination mit Fieber und/oder Abgeschlagenheit auftritt. Es gehört damit zu den AIDS-definierenden Erkrankungen und verhält sich degenerativ.
Das Syndrom kommt im Wesentlichen durch die so genannte AIDS-Enteropathie zustande, die anhand chronischer Durchfälle und Schädigungen der Dünn- und Dickdarmschleimhaut gekennzeichnet ist. Oftmals hat dies eine verminderte Resorption von Nährstoffen zur Folge, was im besonderen Maße die Aufnahme von Fett und Mikronährstoffen (Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe) betrifft. Appetitlosigkeit, Geschmacksstörungen und ständige Übelkeit gelten ebenfalls als Symptome dieser Erkrankung.
Diagnose
Inhaltsverzeichnis zum Thema Wasting-Syndrom:
Das Wasting Syndrom wird durch ein Ausschlussverfahren ermittelt. Diagnostisch muss es von anderen spezifischen Ursachen wie Tumorerkrankungen sowie opportunistische Infektionen (Tuberkulose, Krypto- und Mikrosporidien, MAC) abgegrenzt werden, die selbstverständlich auch kombiniert zum WS führen können. Es wird zudem eine umfangreiche Anamnese erstellt, welche unter anderem das Ernährungsverhalten, psychische Erkrankungen, eventuelle Medikamenteneinnahmen usw. zum Gegenstand hat. Bei Patienten sollte außerdem ein Hypogonadismus (Funktionsstörung der Hoden bzw. der Eierstöcke, die zum Testosteronmangel führt) ausgeschlossen werden. Weitere diagnostische Methoden wie die Bestimmung der Zusammensetzung des Körpers (Knochendichtemessung, bioelektrische Impedanzanalyse etc.) oder Dünndarmbiopsien sollten nur in speziell auf AIDS-Patienten ausgerichteten Zentren geschehen.
Behandlung
Personen, die am WS leiden, magern regelrecht ab, sodass die Priorität bei einer Therapie immer im Fokus einer Zunahme an Körpergewicht liegt. Leider wurde bisher noch keine endgültige Heilungsmethode für diesen lebensbedrohlichen Zustand entdeckt. Die Schwere der Erkrankung lässt sich mit einer an den jeweiligen Patienten angepassten Therapie jedoch deutlich mindern.
Unterstützend kann so eine speziell ausgerichtete parenterale Ernährungsberatung stattfinden. Diese befasst sich damit, wie Stoffe unter Umgebung des Darmtrakts aufgenommen werden. Hierbei erfolgt die Ernährung in der Regel unter Gabe intravenöser Speziallösungen. Eine klassische parenterale Ernährung besteht somit in der Versorgung mit Wasser, Kohlenhydraten, Elektrolyten, Fett, Vitaminen und Spurenelementen sowie Aminosäuren. Die Menge richtet sich dabei nach Krankheitsbild und Energiebedarf des Patienten. Eine solche Nahrungsaufnahme ist jedoch nur bei Resorptionsstörungen sinnvoll. In Maßen und nach den individuellen Möglichkeiten kann ebenso Sport bzw. Bewegung zu einer Verbesserung führen.
Auch medikamentöse Therapien sind denkbar, jedoch oft begrenzt erfolgreich und nicht selten problematisch. Megestrolacetat, das ein Derivat, von einer Grundsubstanz abgeleitete modifizierte oder metabolisierte chemische Verbindung, in diesem Fall von Progesteron darstellt, wird herkömmlicherweise bei der Behandlung von Mamma-Karzinomen (Brustkrebs) verwendet. Es kann jedoch durch seinen appetitanregenden Charakter auch beim Wasting Syndrom einen positiven Effekt erzielen. Da dieser Stoff jedoch eine Reihe von Nebenwirkungen auslösen kann, die sich wiederum negativ auf das Syndrom auswirken, wird dessen Gabe nicht empfohlen. So kann es zu einem Hypogonadismus führen, der gerade unbedingt vermieden werden sollte.
Jener Hypogonadismus ist ein häufig auftretendes Problem bei am Wasting Syndrom Erkrankten. Nach Bestimmung eines altersabhängig zu niedrigen Testosteronspiegels, kann dem mit einer Testosteron-Substitution entgegengetreten werden. Dies wirkt sich zumeist positiv sowohl auf die Lebensqualität der Betroffenen als auch auf die Gewichtszunahme aus. Auch bei Langzeitanwendungen hält die Wirkung an. Bei Frauen sollten Androgene (männliche Hormone) auf keinen Fall übermäßig zum Einsatz kommen. Hier eignen sich eventuell andere anabole (körperaufbauende) Steroide wie Nandrolon oder Oxandrolon, welche eine schwächer ausgeprägte androgene Wirkung aufweisen. Auch hier ist jedoch mit Nebenwirkungen zu rechnen, die in diesem Fall die Leber betreffen und in Mitleidenschaft ziehen können.
Bei rekombinanten humanen Wachstumshormonen handelt es sich um eine noch relativ neuartige, teure Substanz. Ihr Einsatz wird hinsichtlich fortschreitender antiretroviraler Kombinationstherapien (wobei u.a . Reverse-Transkriptase-Hemmer“ zum Einsatz kommen, die ein bestimmtes Enzym, das eine Schlüsselrolle in der Vermehrung der HIV-Viren spielt, in den befallenen Zellen blockieren) immer seltener notwendig. In den USA werden diese Wachstumshormone zur Behandlung des Wasting Syndroms eingesetzt, wenn andere Therapieverfahren keinen oder nur geringen Erfolg bringen.
Basis zur Gabe von rekombinanten humanen Wachstumshormonen sollte stets eine vorhergegangene bioelektrische Impedanzanalyse sein. Ziel dabei ist vorwiegend die Vermehrung von Muskelmasse. Als positiver Nebeneffekt kann jedoch häufig auch eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit auftreten. Die häufigsten Nebenwirkungen sind in diesem Zusammenhang Schmerzen in den Gelenken, Glukose-Erhöhungen, Muskelschmerzen als auch rückläufige Schwellugen an Händen und Füßen. Die Konsequenzen bei Langzeitgabe solcher Hormone, sind zudem bisher leider noch unbekannt. Laut spezifischen Analysen existieren dennoch Hinweise darauf, dass Wachstumshormone zur Verbesserung des Krankheitsbildes beim Wasting Syndrom effektiver sind als die Gabe von Testosteron bzw. anabole Steroide.
Ausblick
Früher war das Wasting Syndrom unter HIV-positiven Patienten ein weit verbreitetes Abbild der HIV-definierenden Erkrankungen. Heute ist das klassische WS in den USA und Europa deutlich seltener geworden. Dies liegt vor allem an den verbesserten Therapiemöglichkeiten gegenüber AIDS. Dennoch gaben in einer weitangelegten Studie im Jahr 2000 gleichwohl 14% der Betroffenen an, mehr als 10% ihres Ausgangsgewichts verloren zu haben. Bei Patienten, die intravenöse Drogen konsumierten, war dieser Anteil deutlich höher. Ein so enormer Gewichtsverlust stellt gleichzeitig auch ein erhöhtes Mortalitätsrisiko dar.
Bei Erkrankten war das Sterberisiko etwa 4-6 Mal so groß gegenüber Personen mit Normalgewicht, die nicht am WS litten. Am WS Leidende sind somit zumeist äußerst geschwächt, sodass deren kognitive Fähigkeiten nicht selten stark eingeschränkt sind und ihr Risiko an opportunistischen Infektionen zu erkranken deutlich größer ist. Zur Prophylaxe eignet sich am besten eine sorgefältig durchgeführte Diagnostik zu Beginn der Symptomatik, wobei immer eine atypische Mykobakteriose auszuschließen ist.